K. und K. Monarchie

Der Ehrgeiz des am 15. Jänner 1858 in Preßburg geborenen Musikers galt der militärmusikalischen Interpretation von Werken aus dem großen Konzertsaal. Als Budapester und Wiener Konservatorist gerade für diese Gattung vorbereitet, wurde er 1882 Kapellmeister des IR 55. Ab 1893 stand er in gleicher Funktion bei der Honved-Distriktsmusik Nr. l in Budapest und schuf sich dort mit Aufführungen von Kompositionen Haydns, Mozarts und Beethovens den Ruf eines legitimen Klassiker-Dirigenten im Waffenrock. Unter seiner Stabführung bewältigten die Honved-Musiker auch schwierige Tonschöpfungen Franz Liszts und damals Zeitgenössisches von Camille Saint-Saëns. In der Hauptstadt Ungarns heimisch geworden, starb Bacho am 10. Juni 1914

Das Janusköpfige des Wesens und der Stellung eines Militärkapellmeisters als Künstler in der Uniform des Soldaten prägte sich bei wenigen so deutlich aus wie bei dem am 14. Mai 1842 im ungarischen Szepesväralya geborenen Alfons Czibulka. Der lebensvolle Mann konnte oder wollte sich nie für das Heer oder die zivile Laufbahn allein entscheiden, er war ein "Reiter auf zwei Pferden", was in Österreich unter musischen Menschen überhaupt gar nicht selten vorkommt, doch in beiden Sphären seines Wirkens brillierte er. Im Waffenrock dirigierte er in Wien, Prag, Krakau, Triest, Peterwardein und Bozen, seine militärmusikalische Karriere war fast so vielfarbig wie die des jungen Franz Lehar, sie spielte sich bei den IR 17, 23, 20, 25, 44, 31, 19 und 57 ab. Im Frack stand Czibulka an den Pulten zahlreicher Theater zwischen Innsbruck und Odessa, eine seiner Stammbühnen war das Wiener Carltheater. Anno 1880 erspielte, wie bereits auf S. 225 ausführlicher geschildert, die Kapelle des Prager IR 36 unter der Leitung des von auswärts herangezogenen Kapellmeisters bei der Internationalen Militärmusik-Konkurrenz den 1. Preis für die Donaumonarchie.

Zeittypisch, dem Geschmack der Epoche angemessen, waren Czibulkas Beethoven-Bearbeitungen für militärische Bläserbesetzung, Märsche aus seiner Feder sind in modernen Listen der meistgespielten Stücke dieser Gattung nicht mehr zu finden. Als Komponist gehörte er der Zeit und dem Genre nach dem Kreis der Goldenen Operetten-Ära an, doch auch seine Werke der "Leichten Muse" scheinen für die Nachwelt etwas zu leichtgewichtig gewesen zu sein, keine der Operetten Czibulkas konnte sich auf dem Repertoire halten. Seltsam berührt das gewiss zufällige Faktum, daß seine letzte Bühnenkomposition den Titel "Der Bajazzo" trug und im selben Jahr, 1892, Premiere hatte wie Ruggiero Leoncavallos Welterfolgs-Oper. Vergessen ist vollends Czibulkas Requiem, das unter dem Eindruck der Schlacht von Custozza entstanden und dem Andenken der österreichischen Gefallenen gewidmet war.

Als Künstler und Kavalier wahrhaftig beliebt, starb Czibulka viel zu früh, erst zweiundfünfzigjährig, am 27. Oktober 1894 in Wien. Zu der Einsegnung in der evangelischen Dorotheerkirche kam, bereits ein menschliches Wrack, fast erblindet und von einem Begleiter behutsam am Arm geführt, Franz von Suppe, um von dem alten Freund Abschied zu nehmen.

Dostal, Sohn eines Militärmusikers, stammte aus dem mährischen Ort Strelitz, sein Geburtsdatum war der 6. April 1874. Er begann als Schüler des Prager Konservatoriums und wurde dann Musikeleve beim IR 93 in Olmütz. Von dort trat er ins Bosnisch- Herzegowinische IR 4 über, so kam er nach Wien, und damit bot sich die Gelegenheit, am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde die Fachausbildung abzuschließen.

Dostals Förderer war der nur um vier Jahre ältere Franz Lehär, damals Kapellmeister des IR 26, er setzte den jungen Musiker in seinem Klangkörper ein, und als Lehar die Uniform auszog, wurde Dostal sein Nachfolger bei den 26ern. 1911 trat er zum IR 67 über, im Jänner 1918 übernahm er die Kapelle des IR 99, im Herbst desselben Jahres spielte er am Rand der umwälzenden Geschehnisse die historische Rolle, bei der allerletzten Wachablösung in der Wiener Hofburg seine gewohnten Pflichten als Militärkapellmeister zu erfüllen, vor dem endgültigen Abtreten. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie bemühte er sich auch als Zivilist um die Pflege traditionellen Militärmusikgutes. Er starb in Wien am 20. Dezember 1930. Zu einem Zeitpunkt, als sein Neffe Nico Dostal, der Operetten- und Filmkomponist, in Deutschland bereits erste Erfolge zu verzeichnen hatte.
Über ihn schrieb der Wiener Musikhistoriker Alfred Orel: "Er zählte zu den beliebtesten und besten österreichischen Militärkapellmeistern und erwarb sich besondere Verdienste um die Erhaltung und Hebung des Niveaus der Militärkapellen." Dieser profilierte Repräsentant der ersten Generation war, überblickt man kurz seine Biographie, ein Vorläufer Carl Michael Ziehrers. In dem Sinn nämlich, dass auch bei ihm eine harmonische Beziehung und Wechselwirkung zwischen der ärarischen und der Zivilkarriere bestand. Zudem umspannte sein Lebenslauf die Abfolgen zweier Epochen, vom Biedermeier bis zur Hochblüte der Ringstraßenzeit. Ein Kind aus dem Jahr der Unterzeichnung des Wiener Kongresses, 1815 (25. Oktober), wurde er von seinem getreuen Bruder Joseph im Flötenspiel unterwiesen, auch Lanner trug zu Fahrbachs Ausbildung bei. Bei Johann Strauß sen. begann dieser als Flötist, später wurden die beiden Freunde, natürlich, wie bei ihrem künstlerischen Verhältnis zueinander kaum zu vermeiden, nicht ganz ohne Reibungsflächen, was das Werben um die Publikumsgunst betraf. Mit zwanzig Jahren schon, 1835, gründete Fahrbach seine eigene Kapelle, und bereits als Dreiundzwanzigjähriger durfte er, wenn Strauß im Ausland konzertierte, die Hof- und Kammerballmusik leiten - "obwohl er Protestant war"! 1841 ging er als Kapellmeister zum IR4, hatte sich aber eine gewisse Freizügigkeit ausbedungen, die ihm erlaubte, nebenbei der Musik des zum Wiener Bürgermilitär gehörenden Korps der bildenden Künstler vorzustehen. Anno 1846 zog er die Uniform aus und betätigte sich wieder als privater Unterhaltungsmusiker. Während der Jahre 1850/56 leitete er abwechselnd mit Johann Strauß Sohn die Tanzmusik bei Hof. Seine zweite militärische Verpflichtung führte ihn als Kapellmeister zu dem in Wien garnisonierenden Linzer IR 14, mit dem er an den Feldzügen 1859 in Italien und 1864 in Schleswig Holstein teilnahm. 1865 trennte er sich endgültig vom Heer und widmete sich fortan erneut dem wienerischen Genre als der älteste, ja letzte noch aus dem echten Biedermeier stammende Meister volkstümlicher Musik. Fast erreichte er den fünfzigsten Jahrestag seines ersten Auftretens. Philipp Fahrbach sen. starb am 31. März 1885 in der Vaterstadt. Er hinterließ Lebenserinnerungen, die 1935 in Buchform erschienen.
War der Vater in erfolgreicher Konkurrenz und freundschaftlicher Rivalität mit Johann Strauß dem Älteren verbunden, so vermochte sich Fahrbach II., am 16. Dezember 1843 in Wien geboren, neben Strauß Sohn zu behaupten, ja zu seiner Zeit genoss er als sehr häufig reisender Interpret der Wiener Walzerklassik zumindest in den Ländern Westeuropas noch größeres Renommee als die Strauß-Brüder Johann und Josef. Eine Tatsache, die längst vergessen ist, an ihr offenbart sich, wie die Zeit einstige Bewertungen verändert. In seiner Jugend, von 1870 an, absolvierte auch Philipp Fahrbach jun. eine schon fast obligate Militärkapellmeisterkarriere, und zwar beim IR 38, zehn Jahre verbrachte er im eher begrenzten Raum ungarischer Garnisonen, danach dirigierte er seine Militärmusiker bis 1884 in Wien, wo ihn ein plötzlicher Tod am 15. Februar 1894 mitten aus aktivem Wirken riss.
Im Jahre 1840 zu Prag als der einzige Sohn eines wohlhabenden Geschäftsmannes geboren, war mir mein Lebensweg von selbst vorgezeichnet. Prag, damals noch deutsch, war eine Musikstadt allerersten Ranges. Die Prager Oper war die erste in Österreich, welche die Meisterwerke "Tannhäuser", "Lohengrin", "Rienzi", "Der fliegende Holländer" von dem zu jener Zeit noch in der Verbannung lebenden Richard Wagner zur Aufführung brachte. Das Konservatorium, ein Musterinstitut, eines der ersten im alten deutschen Reiche, lieferte jährlich eine bedeutende Anzahl junger Musiker, um welche man sich, noch ehe sie absolviert hatten, allerorts bewarb. Einem Prager Konservatoristen stand die Welt offen und insbesondere war es Rußland, wo dieselben die besten und einträglichsten Anstellungen fanden. Ein Prager und nicht musikalisch, war damals einfach undenkbar! Und so hat es auch mein Vater nicht unterlassen, mich musikalisch ausbilden zu lassen, umsomehr, als meine Lehrer behaupteten, ich hätte Talent. So lernte ich außer Klavier auch Violine und hatte, namentlich auf ersterem Instrument, sehr gute Erfolge zu verzeichnen. Mein Klavierlehrer gehörte dem zu jener Zeit berühmtesten Institut - Jos. Proksch an. An den Konservatorien wurden bis an das Ende der sechziger Jahre nur Orchester-Instrumente gelehrt. Der im Jahre 1853 erfolgte Tod meiner Mutter brachte eine gänzliche Umwälzung in unseren Familienverhältnissen mit sich, und als ich mich überzeugte, daß in meinem Vaterhause für mich nichts mehr zu hoffen sei, widmete ich mich gänzlich meiner geliebten Musik. Mein Vater führte mich auf mein Bitten zum damaligen Direktor des Konservatoriums, Herrn Johann Friedrich Kittel, welcher mich nach eingehender Prüfung unter seine Privatschüler aufnahm. Bei ihm genoß ich durch mehrere Jahre einen gründlichen Unterricht in der Musiktheorie. Später studierte ich beim Direktor des Militärmusik-Vereines, Herrn Johann Pavlis, die Instrumentierung für Militärkapellen und die praktische Behandlung der Blasinstrumente. Nach drei Jahren fleißigen Studiums und nachdem ich schon zahlreiche Werke entweder für Militärmusik transkribiert oder für andere Musikkörper eingerichtet hatte, konnte ich daran denken, mich um eine Stelle als Leiter einer Kapelle zu bewerben. Die mir von Dir. Kittel warm empfohlene Kapellmeister-Stelle beim Garde-Ulanen-Regiment in St. Petersburg lehnte ich, den Vorstellungen meiner Stiefmutter folgend, ab. Ich habe diese Übereilung später bereut. Im Jahre 1859 starb plötzlich mein Vater. Unter den obwaltenden Umständen ein schwerer Schlag für mich. Ich wurde - damals assentpflichtig - aus Familienrücksichten vom Militär befreit, doch hatte ich vollauf zu tun, das vom Vater übernommene Geschäft auf der Höhe zu erhalten, und mit der Musik war es für eine lange Zeit vorbei. Ende 1860 fragte mich Dir. Pavlis, als ich ihn bei einem Konzert traf, ob ich nicht Lust hätte, die Kapellmeisterstelle bei einem Kavallerie-Regiment in Galizien anzunehmen. Da ließ es mir keine Ruhe mehr, und als es mir gelungen war, einen tüchtigen Geschäftsmann zu finden, schlug ich fröhlich ein. Noch im Dezember desselben Jahres saß ich, in der schmucken Husaren-Uniform, auf einem stattlichen Schimmel. Im Jahre 1863 vertauschte ich, des Lebens in Galizien überdrüssig, meine Stelle mit der bei einem Artillerie-Regiment in einer Festung in Böhmen. Drei Jahre darauf geriet ich in Hymens Rosenbande und mitten in den Flitterwochen kam der Krieg. Die Musik wurde aufgelöst, die Trompeter rückten zu ihren Batterien ein, und ich wurde, als "unobligat" dienend, auf dem Papier der in der Festung zurückgebliebenen Ausfallsbatterie zugeteilt. Nach der Schlacht bei Königgrätz nahm ich einen Urlaub nach dem nicht weit von der Festung entfernten Aufenthaltsort meiner Frau. Hier, ganz in der Nähe des Städtchens, hatten die ersten Kämpfe stattgefunden, und mit Entsetzen sah ich den Jammer, welchen ein Krieg im Gefolge hat. Der Ort hatte kaum 2000 Einwohner und erhielt 750 meist Schwerverwundete in Pflege. Ende August sah ich den Heimmarsch des 5. preußischen Armeekorps - Steinmetz - und kurz darauf erhielt ich den Befehl, unverzüglich nach Graz einzurücken, um die Musik neu zu organisieren, damit das Regiment mit klingendem Spiel in seine neue Garnison - Wien -einrücken kann. Mit dem 1. März 1868 wurden sämtliche reitende Musikkapellen der österreichischen Armee sowie auch die der Jäger und aller Extra-Chöre aufgelöst. Ich kam zu einem Infanterie-Regiment nach Graz. Im Oktober 1869 wurde dasselbe plötzlich mobilisiert und nach Cattaro dirigiert, wo es an den Kämpfen gegen die aufständischen Krivoscianer ruhmvollen Anteil nahm. Nach einem Aufenthalt von sechs Monaten in Klagenfurt, kamen wir wieder nach Graz zurück. Im Frühjahr 1871 erhielten wir Marschbefehl nach Innsbruck. Dies veranlaßte mich, bei dem 68. Infanterie-Regimente, dessen Offizierkorps mir von früherher bekannt war, einzutreten. Nachdem ich mit demselben die Garnisonen Karlsburg, Hermannstadt und Peterwardein kennen gelernt hatte, wurde das Regiment nach Budapest verlegt. Im August 1878 wurden wir binnen 36 Stunden gehoben und mittels Schiffen nach Peterwardein befördert, wo uns der obilisierungsbefehl traf. Das Regiment kämpfte mit Auszeichnung bei Gorica, BKka und auf der Majevica Planina. Hier erhielten wir die Nachricht, Dolnja Tuzla, der Herd der Insurrektion in Ost-Bosnien, habe kapituliert. Wir rückten nun dort, nachdem das Regiment noch einige Zeit vor der Stadt biwakiert hatte, am 3. Oktober ein. Seit dem 12. September hatten wir kein Dach über unseren Köpfen gesehen. Nach fast dreijähriger Verbannung verlegte man uns nach Erlau, nach Miskolcz und, nachdem wir genügend für den Paradedienst ausgebildet waren, wieder nach Budapest. Die Bestrebungen der österreichischen Militär Kapellmeister, eine Altersversorgung durch den Staat zu erlangen, waren von Misserfolg begleitet und dies bestimmte mich, den Militärdienst für immer zu verlassen. Nachdem ich fast 30 Jahre ununterbrochen gedient, schied ich Ende 1889 von dem Regimente, welches mir durch 19 Jahre eine zweite Heimat gewesen war.


Julius Fucik, dessen einprägsame Konzert- und Militärmärsche zu einem besonderen Signet der k. u. k. Militärmusik wurden, war nach Herkunft und Veranlagung zum Militärkapellmeister prädestiniert. Er kam, wie die meisten seiner Berufskollegen, aus jenem Teil der Donaumonarchie, den man bezeichnenderweise das "Konservatorium Europas" nannte: aus Böhmen

Am 18. Juli 1872 in Prag geboren, fiel Fucik bereits während der Zeit seiner musikalischen Ausbildung am Prager Konservatorium durch seine herausragende musikalische Begabung auf. In Anton Dvorak, dem Initiator der national-tschechischen Musik, fand er seinen Lehrmeister und besonderen Förderer. Von Dvorak in Kontrapunkt und Kompositionslehre unterwiesen, sorgte der Siebzehnjährige mit der Aufführung seiner Orchestration des Volkmann-Zyklus "Vysegrad" in Prag für einiges Aufsehen.

Nach Abschluss seiner Musikausbildung rückte Fucik zur österreichisch-ungarischen Armee ein und absolvierte seine dreijährige Dienstzeit bei der damals von Joseph Franz Wagner geleiteten Regimentsmusik des IR 49 in St. Pölten. Eine Saison lang, 1849/95, war Fucik als Fagottist im Theaterorchester von Agram engagiert, um darnach jedoch als Stadtkapellmeister und Chormeister in das kroatische Sissek zu übersiedeln. 1897 schließlich nahm er das an ihn herangetragene Angebot, die Leitung der Regimentsmusik des IR 86 in Budapest zu übernehmen, an und blieb als k. u. k. Militärkapellmeister dreizehn Jahre hindurch in der ungarischen Hauptstadt. Hier entfaltete er bereits eine vielseitige kompositorische Tätigkeit, aus der eine Anzahl vielgespielter Märsche resultierte: "Furchtlos und treu", "Regimentskinder", "Österreichisch-ungarische Soldatenklänge" u. a. m.

Im Mai 1910 zum böhmischen IR 92 hinübergewechselt, nahm Fucik bereits drei Jahre später seinen Abschied, um als freischaffender Komponist in Berlin eine neue Karriere zu begründen. Seine bis dahin entstandenen Kompositionen, die "Marinarella"Ouvertüre (op.215), die "Hubertus" - Ouvertüre (op. 250), die Konzertwalzer "Donausagen", "Winterstürme", "Traumideale" und die Märsche "Broddenritt", "Einzug der Gladiatoren" sowie namentlich der "Florentiner-Marsch" hatten Fucik bereits weit über die schwarz-gelben Grenzen hinaus bekannt gemacht. Sein Berliner Wirken jedoch sollte nur noch von kurzer Dauer sein. Erst 44jährig legte er am 25. September 1916 in Berlin-Schöneberg Taktstock und Notenfeder aus der Hand. Fuciks Märsche überlebten ihren Urheber und wurden international zu Evergreens der Marschmusik.


Schicksalhaft im Schatten von Johann Strauß stand der Lebensweg des am 1. Dezember 1810 in Szambek im Königreich Ungarn geborenen Handwerkersohnes, dem man nachrühmte, er sei "der bedeutendste Repräsentant des Magyarentums in der deutschen Tanzmusik". Er begann als blutjunger Hilfslehrer in Ofen, also beruflich wie Schubert, wurde aber mit 18 Jahren Soldat, und zwar Kanonier, zuerst in Pest, dann in Graz, wo er in die Musikbanda des 4. Artillerieregiments eintrat und es ziemlich bald zum Kapellmeister brachte. Applaus und Publikumsgunst in der steirischen Hauptstadt sicherten ihm nicht zuletzt die vielen Konzerte mit dem militärischen Streichorchester, das er aufgebaut hatte. Unter seinen damaligen Kompositionen ist der "Ungarische Marsch" deshalb bemerkenswert, weil Franz Liszt danach eine virtuose Klavierfassung schuf.

Anno 1843 quittierte Gungl den Militärdienst und unternahm, wie er selbst sagte, "als wandernder Musikant" mit einer eigenen Kapelle Tourneen in Deutschland. Der Radius weitete sich, konzertierend reiste der Künstler durch Europa, so nach damaliger Gepflogenheit auch nach St. Petersburg und Pawlowsk, der Sommerresidenz des Zaren, wo Johann Strauß Sohn erste internationale Triumphe feiern sollte. Ein Gradmesser für Gungls Erfolge war die zu jener Zeit noch sehr ungewöhnliche Verpflichtung in die USA, 1851 hatte der einstige österreichische Artilleriekapellmeister die musikalische Leitung bei der Inaugurationsfeier des Präsidenten John Tyler in Washington.

Versuche, nach der Rückkehr in Wien Fuß zu fassen, schlugen fehl. Neben Strauß vermochte sich der Ältere nicht zu behaupten, er selbst sprach sogar verbittert von den "Chikanen" des jungen Walzerkönigs. Das Bewusstsein des eigenen Wertes und der Anerkennung in zwei Kontinenten mag seine Enttäuschung noch gesteigert haben. Zudem war Gungl ein äußerst produktiver Komponist, er schrieb insgesamt 436 Musikstücke, die während jener Epoche in zahllosen Ausgaben neben den Schöpfungen der Dynastie Strauß Verbreitung fanden. Indes, er hatte das Unglück, als Talent mit einem Genie in die Schranken zu treten. Diese Zeitgenossenschaft war seine Crux. So wurde der Bessere zwangsläufig zum Feind des Guten.

Notgedrungen übernahm Gungl 1856 die Kapellmeisterstelle des IR 23 in Brünn, dies war höchstwahrscheinlich eine innere Kapitulation des Weitgereisten, eine resignierende Bescheidung. Im gegebenen Kreis leistete er Vorbildliches, er hob das Niveau dieser Banda, begründete ihren Ruf, auf dem später Fahrbach und Czibulka aufbauen konnten. 1864 schloss er diese Etappe seiner Laufbahn ab und trat wieder als Dirigent leichter Musik in europäischen Großstädten auf. Aber das "Comeback" gelang nicht, neue Publikumsschichten fanden wenig Gefallen an dem Gefälligen, das Gungl zu bieten hatte. Strauß und Offenbach beherrschten die Szene, sie überflügelten ihn mit Leichtigkeit. Der Alternde zog sich nach Weimar zurück, wo seine Tochter als Sängerin wirkte. Dort starb er am 1. Februar 1889.

Der originelle Mann, durch seine witzigen, pointierten Aussprüche heute noch als altösterreichische Anekdotenfigur bekannt, war während der Brahms-Bruckner Epoche eine der markantesten Erscheinungen im Musikleben der Heimatstadt Wien. Die Anfänge seines Lebensweges (geb. 9. April 1855) bestimmte die Herkunft aus einer jener Musiker-"Dynastien", die ein wienerisches Spezifikum des 19. Jahrhunderts waren. Kaum achtzehnjährig, wurde Hellmesberger Geiger im Hofopernorchester. Zum Militär assentiert, diente er bei der Kapelle des IR 4. Eigene Kapellmeistertätigkeit beim selben Truppenkörper und beim IR 83 gestaltete sich freilich nur episodisch, befähigte ihn aber, später aus persönlicher Einsicht in die Verhältnisse militärmusikalische Fragen kompetent zu beurteilen. Von 1878 an wirkte Hellmesberger zumeist wieder im Verband des Hofopernorchesters, als Kammermusiker von hohen Graden und als prominenter Instrumentallehrer für Violine am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Fast schicksalhaft wurde für ihn ein Kapellmeister-Vertrag mit dem Wiener Ringtheater, so erlebte er auch die Brandkatastrophe des Dezember 1881 aus gefährlichster Nähe mit. Der Titel Hofkapellmeister und die Berufung ans Dirigentenpult der Wiener Philharmoniker in der Nachfolge Gustav Maklers waren verdiente Würdigungen des vielseitig gebildeten musikalischen Kopfes und hervorragenden Interpreten. Seine kompositorische Vorliebe galt dem gehaltvollen Leichten Genre, für das er Tanzstücke und Operetten schrieb, Spätblüten der "Goldenen Ära". Dem Verwelken widerstanden manche Ausschnitte aus dem "Veilchenmädel". Auf der Höhe der Reifezeit musste Hellmesberger schon abtreten. Er starb mit 52 Jahren am 26. April 1907 in Wien.

Lange Zeit seines Lebens in der Kunstmusik heimisch, war er in der Reihe namhafter francisco-josephinischer Militärkapellmeister der einzige zugewanderte Deutsche. Er stammte aus Coburg, geboren am 7. Februar 1853, und war zunächst als Opernkapellmeister an mehreren Bühnen engagiert, so auch in Salzburg, wo er überdies Konzerte des 1870 gegründeten Mozarteums leitete. Im Zeitraum von 1882 bis 1904 stand er mit kurzen Unterbrechungen bei den IR 100, 35, 3 und 20. Im Jahr 1893 erhielt er den offiziellen Auftrag zur instrumentalen Neufassung historischer Märsche. Nach seinem Ausscheiden aus dem Verband der k. u. k. Armee widmete er sich künstlerischen Aufgaben am Dirigentenpult des Kaimorchesters in München, eines symphonischen Klangkörpers, der die Urform der Münchener Philharmoniker war und nicht zuletzt durch das Wirken des Wiener Bruckner-Protagonisten Ferdinand Löwe einen bedeutenden Platz im deutschen Musikleben errang. In der bayerischen Hauptstadt verblieb Kaiser bis zu seinem Tod am 15. Oktober 1929.

Der am 13. Februar 1820 in Bartfeld in der damals ungarischen Slowakei geborene Student der Jurisprudenz und der Agrikultur entschied sich schließlich für die Musik. Sein Lehrer war der hervorragende Wiener Theoretiker Simon Sechter, derselbe Mann, dem Anton Bruckner seine gründliche Ausbildung verdankte. Keler wurde Geiger im Orchester des Theaters an der Wien, 1854 dirigierte er in Berlin als Nachfolger Joseph Gungls dessen Kapelle und fungierte dann einige Zeit in Wien als Chef der Musiker des früh verstorbenen Lanner-Sohnes August. Im Jahr 1856 ging er als Kapellmeister zum galizischen IR 10, seit 1863 war er wieder Zivilist. Seine letzte ständige musikalische Wirkungsstätte fand er in Wiesbaden im Rang eines Musikdirektors des nassauischen Hofes, mehrere Jahre verbrachte er auf Konzertreisen, ehe er nach Wiesbaden zurückkehrte, wo er am 20. November 1882 starb. Von seinen eigenen Kompositionen blieben durch den Rundfunk mehrere "Lustspielouvertüren" dem Publikum bis in unsere Gegenwart ebenso geläufig wie die vom Nationalstolz ihres Urhebers zeugende ungarische Schreibweise seines Namens: Bela Keler.

Er zählte, im gesamten gesehen, gleichsam als ein "erstklassiger Zweiter Geiger" zu den profilierten Musikerpersönlichkeiten der Strauß-Ära und war wohl der prominenteste "Böhmische Musikant" unter den Militärkapellmeistern in der Spätblüte der Donaumonarchie. Seine eigenen Werke bereicherten die Gattung um bleibende Werte, ja ohne die besten Komzak - Märsche wäre auch das Repertoire heutiger österreichischer Blasorchester gar nicht denkbar. Am 8. November 1850 in Prag geboren, im väterlichen Milieu der Militärmusik aufgewachsen, studierte er am Konservatorium der Moldaustadt und ging zunächst als Geiger nach Linz. Einundzwanzigjährig wurde er bereits Kapellmeister des Kärntner IR 7 in dessen damaliger Garnison Innsbruck, ein Posten, der für Komzak auch deshalb wichtig und anregend war, weil er dort mit der alpenländischen Volksmusik in direkte Berührung kam. 1882 gelang ihm der Sprung nach Wien zu dem neu formierten, aus der niederösterreichischen Umgebung der Kaiserresidenz ergänzten IR 84. Komzak, nicht nur ein ausgezeichneter Musiker, sondern in seiner Sphäre auch ein Orchestererzieher von hohen Graden, bildete die Regimentskapelle zu einer der besten der k. u. k. Armee heran und machte sie mit seinem individuellen Eingehen auf junge Begabungen und seinen großen fachlichen wie pädagogischen Fähigkeiten zu einer Pflanzstätte des Nachwuchses. Aus den Vierundachtzigern gingen u. a. Militärkapellmeister der nächsten Generation wie Josef Laßletzberger und Karl Mühlberger hervor. Getreu seinem angestammten Instrument lag Komzak die Streicherbesetzung sehr am Herzen, er brachte es auf den bei einer Regimentskapelle sehr beachtlichen Stand von 14 Primgeigern, so dass er einen Klangkörper zur Verfügung hatte, der mit zivilen Orchestern Wiens in Konkurrenz zu treten vermochte. Als Komponist des Leichten Genres sehr produktiv, schrieb er mehr als 300 Tonstücke, im militärischen Rahmen wurden sein "84er-Regimentsmarsch" und der Erzherzog-Albrecht-Marsch" zu richtigen Zugnummern. Eine Stärke Komzaks waren zudem einfühlende Bearbeitungen und die damals sehr beliebten Potpourris, bei denen er die Melodien nicht, wie sonst häufig üblich, einfach aneinanderreihte, sondern in eine künstlerische Verbindung brachte. In der größeren Form versuchte er sich mit einer volkstümlichen, heiteren, aber nicht bühnenlebensfähigen Oper des Titels "Edelweiß". Beim Wiener Publikum als Musiker wie als sehr sympathischer Mensch äußerst beliebt, verabschiedete sich Komzak 1892 von seiner Kapelle, kam nach kurzer Zäsur 1894 wieder, doch schon ein Jahr später schloss der Mittvierziger wegen seiner geschwächten Gesundheit die ärarische Karriere ab, um künftig als Kurmusikdirektor in Baden bei Wien zu wirken. Dort dirigierte er für viele seiner alten Wiener Zuhörer und die internationale mondäne Society der Badegäste. In jener Zeit entstand eine seiner besten, unverändert bekanntesten Tanzkompositionen, der Walzer "Badner Madeln". Schon früher hatte Komzak des öfteren Konzertreisen unternommen, nun trat er im Sommer 1904 seine größte Fahrt an. Sie führte ihn über den Atlantik bis nach St. Louis zur Weltausstellung, wo er sich als idealer "Botschafter der Wiener Musik" auszeichnete. Von krasser Tragik war das Lebensende dieses liebenswürdigen francisco Josephinischen echten Tonkünstlers: Am 23. April 1905, dem Ostersonntag, sollte eine Badener Chorvereinigung unter Komzaks Leitung auswärts auftreten. Er selbst kam buchstäblich erst in letzter Sekunde auf den Perron und versuchte, in den schon langsam anfahrenden Zug einzusteigen. Dabei glitt er ab und wurde tödlich verletzt.
Er selbst zählt wohl zu den Vergessenen, aber sein "Egerländer - Marsch" hat sich, nicht nur bei den Heimatvertriebenen, sondern in ganz Österreich gleichsam zu Volksmusikgut geworden, lebendig erhalten. Dieses Opus komponierte Kopetzky für das IR 73, dessen Kapellmeister er bis 1898 war, ein Jahr vor seinem Tod. 1844 in Jitschin geboren, widmete er sich als Zweiundzwanzigjähriger der Militärmusik und trug seither immer Uniform, ausgehend von der Banda des Feldjägerbataillons 29. Sein bedeutsamster Posten war der des Marinekapellmeisters, den er von 1869 bis 1871 innehatte.

Zu dem Geburtsort Mainz (14. September 1839) kam er durch die Fügungen, die seinen böhmischen Vater in die Rhein-Main-Ecke führten und dort Stadtkapellmeister werden ließen. Der Junior offenbarte Beharrlichkeit im Wechsel, von 1862 bis 1885 blieb er Militärkapellmeister, aber eben bei mehreren verschiedenen Truppenteilen. Das lag vor allem daran, dass Kral jede Chance nützte, um sich in der Garnison Wien halten zu können. Die Liste der Regimenter, zu denen er sich verpflichtete, umfasste der Reihe nach die Nummern 13, 20, 36, 17 und 38. Kompositorisch bereicherte er das Militär-Repertoire in erster Linie durch den "Brucker Lager-Marsch", mit dem er die Soldatenstadt an der Grenze "Cis-" und "Transleithaniens" musikalisch würdigte, und den "Philippovich Marsch". Krals zivile Tätigkeit als Dirigent des Leichten Genres in Wien war trotz befriedigender Resonanz nur ein kurzes Intermezzo. Er kehrte zum Ärar zurück, leitete die Kapellen der IR 24 und 23. Am Neujahrstag 1896 verstarb er in der niederösterreichischen Donaustadt Tulln.
Der Niederösterreicher aus Zelking im Raum St. Pölten, Geburtsjahrgang 1862 (30. September), wurde zwar nicht so bekannt wie sein Landsmann, Zeitgenosse und Kamerad Karl Mühlberger, der "Kaiserjägermarsch" Komponist, aber er war ein typischer Vertreter seines Berufsstandes, ein echtes musikantisches Talent, das in der Militärmusik seine besten Entfaltungsmöglichkeiten fand. Mit Märschen, die im Frieden bei Paraden ebenso wie in den volkstümlichen Etablissements, im Ersten Weltkrieg aber auch an der Front gespielt wurden, und mit solidem Können leistete Laßletzberger seinen Beitrag zur Hochblüte des Musikwesens der k. u. k. Armee. Dem Klangbild, das ihm gemäß war, setzte er manche eigene Farbtöne auf. Überdies zeugt sein Aufstieg von den Möglichkeiten, die damals bereits individueller Begabung und Tüchtigkeit geboten wurden. Laßletzberger kam aus dem einfachen Mannschaftsstand, er diente sich im IR 84 bis zum Feldwebel hoch. Die Unterweisung durch Karl Komzak ersetzte ihm das Konservatorium und machte ihn zu einem Praktiker des Metiers. 1895 wurde er selbst Kapellmeister, und zwar beim IR 100 in Krakau. Zehn Jahre später kehrte er in derselben Funktion zu seinem Stammtruppenteil zurück, trat aber schon 1908 aus und ging nach Amerika.

Die im gesamten Kulturgeschehen nicht seltene Erscheinung, dass ein begabter, "vortrefflicher" Vater seine Talente in gesteigerter Form auf einen Sohn vererbt, ja die selbst nicht erreichte Vollendung und Meisterschaft an den Nachkommenden weitergibt, dieses "Leopold-Mozart-Phänomen", wie man es nennen könnte, war im Bereich der Militärmusik in der Familie Lehär mit frappanter Deutlichkeit erkennbar. Im übrigen verkörpert Franz Lehär senior in unserer Galerie so verschiedenartiger Persönlichkeiten und Charaktere den "totalen" Militärkapellmeister, dessen Leben ohne Wechselfälle, Brüche und Wendungen mit einer seltenen Ausschließlichkeit dieser einzigen Aufgabe gewidmet war. Geburtsjahrgang 1838, aus dem Ort Schönwald am Fuß des Altvatergebirges stammend, wanderte er fünfzehnjährig nach Wien und kam als Hornist im Orchester des Theaters an der Wien unter - an derselben Bühne, wo dereinst mit der "Lustigen Witwe" der Stern seines Sohnes aufgehen sollte.1857 wurde er zur Musik des IR 5 assentiert, nahm im Feldzug von 1859 an den Schlachten bei Solferino und Magenta teil und blieb bis zum Sommer 1863 mit seinem Regiment in Norditalien. Der 1. August jenes Jahres war für ihn ein überaus wichtiger Tag: Er wurde Kapellmeister des IR 50, das damals in Wien in Garnison lag. Seit jenem Datum begann er - freilich in anderem Sinn als später der Junior - das Dasein eines militärmusikalischen Nomaden. Von Garnison zu Garnison zog er kreuz und quer durch die Monarchie, vor allem in Ungarn. Seine Heimat waren und blieben Kasernen und ärarische Quartiere in Städten wie Ödenburg, Preßburg, Komorn, Budapest, Kronstadt und Sarajevo, sein Betätigungsfeld waren der Paradeplatz und das Konzertpodium. Als Kapellmeister beherrschte er faktisch alle Instrumente, nicht nur beim Blech und beim Holz, sondern auch im Sektor der Streicher. Siebzehn Jahre stand er bei den Fünfzigern, dann diente er in den IR 33, 19, 102 und 89, ehe er 1887 wieder seine Stamm-Banda, die des IR 50, übernahm. Während jener langen Zeit schrieb er Militärmärsche, Polkas, "Charakterstücke" und allerlei andere Kompositionen nach dem Geschmack der Epoche. Wenngleich ihm kein großer Wurf glückte, so blieb er doch seiner Umwelt nicht schuldig, was sie von ihm an brauchbarer "Notenarbeit" erwarten durfte. Volle 35 Jahre gehörte Lehär der Armee an, niemals verlangte es den älter Werdenden danach, sich in einer der vielen Städte, die er kennenlernte, als ziviler Musiker anzusiedeln, seßhaft zu werden. Niemals - obwohl er Frau und Kinder hatte. Zuletzt gebot er über die Kapelle eines der jüngsten Fußtruppenkörper der Monarchie, des bosnisch-herzegowinischen Infanterieregiments Nr. 3 in Budapest. Dort starb der Sechzigjährige am 7. Februar 1898 noch im aktiven Verhältnis. Für seinen 1870 in Komorn geborenen Sohn Franz leistete er Entscheidendes, um ihm den Weg zu bereiten. Die musikalische Begabung des Buben erkennend, tat er alles, was sie fördern konnte. Er selbst legte den Grundstein zur musikalischen Ausbildung des kleinen Franz und erwirkte ihm schließlich einen Freiplatz am Prager Konservatorium. So bewährte sich der redliche Schlesier auch als Vater - welcher Kontrast zu der strikten, barschen Ablehnung, mit der Johann Strauß senior den künstlerischen Ambitionen seiner Söhne begegnete! Franz Lehär der Ältere, der als Komponist der Nachwelt abhanden kam, verdient es wohl, daß sich diese Nachwelt seiner als eines wahrhaft schätzenswerten Mannes von Talent und sehr sympathischen Wesenszügen noch immer erinnert.

Wenn auch der Name des aus Spitz an der Donau gebürtigen Musikers nachfolgenden Generationen nicht mehr geläufig ist, seinen Kaiserjäger-Marsch ("Mir san die Kaiserjäger") kennt jeder Österreicher. Mit dieser einen Melodie schuf Mühlberger eines der besten, meistgespielten Werke der österreichischen Militärmusik. Am 21. August 1857 geboren, war Mühlberger eines der jungen Talente, die Karl Komzak mit dem ihm eigenen Blick für fachliche Befähigung und der menschlich vornehmen Gesinnung des wahren Mentors in seinen engsten Kreis zog. Seit 1882 stand der junge Mann unter Komzaks Leitung in der Kapelle des IR 84, gleichzeitig studierte er am Konservatorium der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde bei Josef Hellmesberger. Bald erregte Mühlberger die Aufmerksamkeit eines zweiten prominenten Förderers, es war kein anderer als Carl Michael Ziehrer, der ihn als stellvertretenden Regimentstambour und Dirigenten ins IR 4 übernahm. Fünf Jahre blieb Mühlberger bei den Deutschmeistern, dann wurde er selbst Kapellmeister beim IR 47 in Graz. Schließlich führte ihn sein Weg zum 1. Tiroler Kaiserjägerregiment nach Innsbruck. Dort komponierte er 1914 den Marsch, der sein größter Wurf und nachhaltigster Erfolg werden sollte. Während des Ersten Weltkriegs leitete er die Garnisonsmusik Innsbruck. Nach 1918 betätigte er sich als Zivilkapellmeister und Musiklehrer. Ihm war ein hohes Alter beschieden, siebenundachtzigjährig starb er im März 1944, in Wien - Penzing heimisch geworden, nahe beim Schönbrunner Park, wo die Kaiserjäger anno 1915, bereits als Frontkämpfer, zum letzten Mal vor Kaiser Franz Joseph defiliert hatten.

Johann Müller wurde am 3.3.1857 in Maustrenk bei Zistersdorf geboren und studierte am Wiener Konservatorium unter Bruckner, Krenn und Hellmesberger. Er diente als Musiker und stellvertretender Dirigent bei der berühmten Deutschmeisterkapelle in Wien, zuletzt spielte er unter Carl Michael Ziehrer. 1890 wurde er Kapellmeister bei den "46ern", beim Infanterie-Regiment Nr. 82 und schließlich als Nachfolger von Patzke bei der "84er"-Kapelle. Seine erfolgreichste Komposition, der Marsch "Weana san ma, Weana bleib'n ma" mußte bereits bei der Uraufführung fünfmal (!) wiederholt werden. Er widmete dem Regimentsinhaber zur Silberhochzeit den "Herzog-Alfred-Marsch"; für den Regimentskommandanten entstand der Weyerfels-Marsch. Müller gründete 1899 eine Privatkapelle in Wien und starb dort am 30.10.1924.
Seine eigenen Märsche sind bis auf die bloße Registration einiger Titel verschollen, Bleibendes indes leistete er mit einer kurzen Schlagzeugfigur, die zum Signet österreichischer Marschmusik werden sollte. Nemetz ist jener Musiker, der das "Einschlagen" aufbrachte, das achttaktige markante Einleitungssolo der Kleinen Trommel, in deren Wirbel in den beiden letzten Takten die große Trommel und die Becken einstimmen. Eine Introduktion, die als gattungsprägendes Wesenselement seit rund 140 Jahren jedem Marsch vorausgeht, spontanes Aufhorchen bewirkend, Erwartungen weckend. Das war Nemetzens Beitrag, sechzehn Takte. Der Name des Urhebers dieses rhythmischen Epigramms freilich ging der Nachwelt längst verloren. Dabei war der aus Chalkowitz stammende Mährer mit dem Geburtsdatum des 14. November 1799 während des Biedermeier eine militärmusikalische Zelebrität. Ursprünglich wollte er allerdings vom Dienst bei den Soldaten nichts wissen. Als junger Mann war er Musiklehrer in Ödenburg und Posaunist des Wiener Hofopernorchesters. Im Jahr 1828 wurde er Kapellmeister des IR 19 und gewann als solcher die Wertschätzung des Hofes und des Hofkriegsrates, der ihn anno 1840 beauftragte, einen Manöverierstreich für die Armee festzulegen, aus dem das "Einschlagen" entstand. Ausgeprägte Befähigung zum Systematiker und Pädagogen vollends bewies Nemetz mit seinem 1844 in Wien publizierten Werk "Allgemeine Musikschule für Militär Musik", einem für das Heeresmusikwesen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutsamen Dokument, enthält es doch neben Spielanweisungen aller - auch heute nicht mehr gebräuchlicher! Blasinstrumente Originalpartituren von Märschen, Signale und Trommelstreiche. Eine Leistung, die ihrem Autor nicht bloß Würdigungen, sondern auch gehässiges Bemängeln und Plagiatsverdächtigungen seitens mancher Kollegen eintrug. (Wie schon angedeutet: Die Militärkapellmeister mochten im Lauf der Zeit wohl Standesbewußtsein entwickeln, nicht aber immer und überall ein Gefühl der Solidarität, einen Esprit de Corps. Neid, Eitelkeit, Rivalität vergifteten bisweilen die kameradschaftliche Atmosphäre.) Und kurz nach der Edition machte ein Schlaganfall den Mittvierziger völlig aktionsunfähig. Eineinhalb Jahre dämmerte er noch dahin, ehe er am 21. August 1846 in Wien starb. Das war das tragische frühe Ende eines vormärzlichen Österreichers, dem Zeitgenossen nachrühmten, dass sein "Talent sich mit gründlichen und ausführlichen Kenntnissen der musikalischen Kunst vereinte".

Edmund Patzke wurde am 7.3.1844 in Niklasdorf im Kreis Freiwaldau (damals Österreichisch-Schlesien) geboren und diente ab 1875 als Kapellmeister bei den Infanterie-Regimentern 14, 40, 12 und 100. Ab dem 1.1.1896 war er für kurze Zeit musikalischer Leiter der "84er"-Kapelle. In dieser Zeit entstand wahrscheinlich auch sein berühmtester Marsch "Salut à Luxembourg" - ein Gruß an seine spätere Wirkungsstätte, an der er 1899 sogar zum Hofkapellmeister ernannt wurde. Edmund Patzke starb am 20.11.1903 in Luxemburg.

Als Komponist gehobener, geschmackvoller und illustrativer Unterhaltungsmusik spezifisch wienerischen Gepräges wurde er via Rundfunk weitesten Hörerkreisen bekannt. Zum Geburtsort Plevlje in Serbien kam er durch mehr oder weniger zufällige Fügungen des Familiengeschicks. Das Datum war der 18. Oktober 1897. Sein Studium an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst wurde, wie das so vieler Musiker derselben Generation, weitgehend von dem bedeutenden österreichischen Spätromantiker Franz Schmidt beeinflusst. Neunzehnjährig rückte Pauspertl ein, bis 1918 war er z. Kapellmeister des IR 57. Danach setzte er die Ausbildung fort, u. a. bei Eusebius Mandyczewski, dem hervorragenden Musikgelehrten, einstigen Vertrauten von Meister Brahms und jahrzehntelang tätigen Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde. Der eigentliche Berufsweg führte den jungen Mann zum Musiktheater, er wurde Korrepetitor der Wiener Volksoper und der Staatsoper. Erste Talentproben legte er mit Bearbeitungen ab. Stilgerecht revidierte er die Johann-Strauß-Operette "Das Spitzentuch der Königin" und erstellte aus Melodien Carl Michael Ziehrers eine Bühnenfassung unter dem Titel "Die verliebte Eskadron". 1934 trat er selbst die späte Nachfolge Ziehrers an, als letzter "echter" Deutschmeister-Kapellmeister. Bis zum Abschluss der Übergangsphase Bundesheer-Wehrmacht im September 1938 und damit der Angleichung der Militärmusik an das deutsche Muster verblieb er in seiner Funktion. Dann übernahm er die Leitung des neugegründeten Ballorchesters der Stadt Wien.

Begegnungen mit Willi Forst eröffneten Pauspertl noch ein anderes Betätigungsfeld, das seinen Fähigkeiten und Erfahrungen entsprach: die Arbeit für den Film. Neben Willy Schmidt - Gentner, dem Stammkomponisten aus dem Forst-Team, wirkte er bei der musikalischen Gestaltung der Produktionen "Operette" und "Wiener Mädeln" mit, letztere stand, für Pauspertl nun schon fast leitmotivisch, im Zeichen Ziehrers. Außerdem schrieb er während des Zweiten Weltkriegs die Musik zu "Die goldene Fessel", einer Verfilmung von Nestroys "Zerrissenem". Weitere Aufträge dieser Art riefen ihn immer wieder in die Ateliers und in die Tonstudios.

Nach 1945 widmete er sich als Orchesterleiter und Komponist dem Medium Rundfunk und nahm überdies Agenden im Rahmen der Urheber-Interessenvertretung AKM wahr. Am 7. April 1963 starb Pauspertl in Wien. Er war kaum sechsundsechzig Jahre alt geworden.


Vinzenz Prax kam 1859 in Prag zur Welt. Er war in seiner Jugend Kapellmeister am Deutschen Theater in Prag und begann seinen Militärkapellmeisterdienst 1898 beim 72. Infanterie-Regiment, bevor er 1908 als Nachfolger von Laßletzberger zu den "84ern" kam, wo er bis zum Ende der Donaumonarchie blieb. Seine musikalischen Leistungen wurden mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter die "Russische Goldene Medaille" und das "Ritterkreuz I. Klasse des spanischen Militär-Verdienst-Ordens". Von ihm ist der "Borosini-Marsch" bekannt. Vinzenz Prax starb am 3.9.1930 in Wien.
Familiäres Milieu und Werdegang, desgleichen spätere künstlerische Entfaltung machen diesen Mann zu einem Sonderfall im Rahmen des Militärmusikalischen. Reznicek, als Sohn eines bis zum Rang des Feldmarschaalleutnants aufsteigenden Offiziers am 4. Mai 1860 in Wien geboren, war nur in den Jahren von 1889 bis 1892 Regimentskapellmeister, und zwar beim IR 88 in Prag. Vorher war er Jus- und Musikstudent und Kapellmeister an österreichischen, Schweizer und deutschen Bühnen, so auch in Berlin. Nachdem er beim Heer quittiert hatte, nahm er wieder Dirigenten Engagements in Deutschland an und kam neuerlich nach Berlin, das zu seiner Wahlheimat wurde. Sein bekanntestes eigenes Bühnenwerk, "Donna Diana" nach einer Komödie Augustin Moretos, sichert Reznicek zumindest musikhistorisch einen Platz auf dem Gebiet der eher seltenen heiteren deutschen Oper um die Jahrhundertwende. Der beste Wurf gelang ihm dabei mit der Ouvertüre, sie ist in Rundfunk-Opernkonzerten immer wieder zu hören. Hochbetagt überlebte der Komponist alle Katastrophen, die Berlin im Zweiten Weltkrieg trafen, er starb am 2. August 1945.


Anton Rosenkranz mit seinen Söhnen

Anton Rosenkranz wurde 1827 in Prag geboren und genoß am berühmten Prager Konservatorium, das zahlreiche Militärmusikkapellmeister ausbildete, seine Ausbildung. Mit 1. Oktober 1848 trat er in den "Militärmusikdienst" beim z. Steirischen Freiwilligen Jäger-Bataillon ein. 1850 wechselte er zum IR 39, wo er bis April 1859 blieb. Ab diesem Zeitpunkt stand er im Dienst des IR 80, mit dem er auch den Feldzug 1859 mitmachte. Beim IR 80 komponierte er den "Tegetthoff-Marsch", der später der k. u. k. Kriegsmarine offiziell zugewiesen wurde. Nach Beendigung des Krieges von 1866 wurde sein Regiment nach Kaschau, 1869 nach Lemberg verlegt, wo er den bekannten "80er Regimentsmarsch" komponierte. 1878 wurde er Nachfolger Carl Michael Ziehrers beim damals in Wien garnisonierenden IR 76; während des Okkupationsfeldzuges 1878 entstand in Bosnien der "76er Regimentsmarsch". 1881 wurde das IR 76 nach Graz, 1882 schließlich nach Ödenburg verlegt, wo Rosenkranz, bei der Bevölkerung allseits beliebt, am 29. Juli 1888 verstarb. Anton Rosenkranz zählt nicht nur zu den reproduzierenden Künstlern, er hat sich durch bekannte und ins Ohr gehende Märsche als Komponist profiliert.


Manche romanhafte Züge im Stil des 19. Jahrhunderts weist das Leben dieses aus Polepp bei Leitmeritz stammenden Mannes auf (geb. 5. November 1819), denn wie so manche andere österreichische Militärmusiker seiner Zeit führten ihn unerwartete Wendungen in die Welt hinaus, doch als einziger diente er zwei zugleich lebenden Kaisern habsburgischen Geblütes. Er zählte noch zu den Militärkapellmeistern des Spätbiedermeier, sein Truppenteil war das IR 53. Sawerthal tat sich nicht schöpferisch mit eigenen Kompositionen hervor, seine Stärke lag vielmehr im Organisatorischen und in seiner profunden Kenntnis musikalischer Belange der k. u. k. Armee, ein Themenkreis, über den er auf Grund persönlicher Beobachtungen Stellungnahmen veröffentlichte. Schon 1846 entrierte er Bestrebungen zur Errichtung eines Pensionsfonds für Militärkapellmeister, womit er konkret einen wichtigen sozialen Aspekt berührte. Anno 1850 wurde er Marinekapellmeister, dadurch ergaben sich für ihn direkte Kontakte zu Erzherzog Ferdinand Maximilian. Dieser berief ihn 1864 als Musikchef in sein neues Kaiserreich Mexiko, wo im Palast von Chapultepec ein Hofstaat nach europäischem Muster gebildet und in Mexico Ciudad ein Theater bespielt wurde. Angesichts der schweren inneren Konflikte war an eine wirkliche künstlerische Entfaltung kaum zu denken. Nach dem Ende des Kaiserdramas ging Sawerthal nach England und trat -für Ausländer eine ganz große Seltenheit! als Bandmaster in die Britische Armee ein. Zuerst diente er beim "Kings Own Regiment", dann bei den "Royal Engineers", der Pioniertruppe. Über 20 Jahre verblieb er in Britannien. Doch schließlich kehrte er aus der Ferne zurück zu den bescheidenen Ursprüngen. Anno 1893 starb er im Heimatort.

Engelbert Sitter stammt aus einer bedeutenden Musikerdynastie. Bereits der Vater spielte in der Kapelle Lanners, sein Bruder Anton musizierte bei Johann Strauß Sohn und war viele Jahre Orchesterdirektor der Kapelle Fahrbach; sein Bruder Johann war ebenfalls Militärkapellmeister. Engelbert Sitter wurde 1868 in Mailberg im Bezirk Hollabrunn geboren. Er diente bei verschiedenen Regimentern, u. a. auch bei den "Hoch- und Deutschmeistern" in Wien. Ab 1897 wurde Sitter Regimentstambour und ab 1.6.1899 Kapellmeister bei den "84ern". Hier schrieb er für den neuen Regimentsinhaber den "Bolfras-Marsch" und für den Regimentskommandanten den "Oberst-Kuhn-Marsch". Sitter wechselte am 1.8.1905 zur Kapelle der "100er" und starb 1944 in Wien.

Der letzten Generation populärer Militärkapellmeister der k. u. k. Armee zugehörig, hatte der am 28. Oktober 1864 in Sobislau in Böhmen geborene Wacek ursprünglich keine ärarische Position angestrebt. Er war von 1886 bis 1894 Stadtmusikdirektor im Südtiroler Bischofssitz Brixen. Carl Michael Ziehrer gab den Anstoß zu seiner Übersiedelung nach Wien, und als Ziehrers direkter Nachfolger trat Wacek an die Spitze der Musik des IR 4. Diese Funktion bekleidete er bis 1918, somit verzeichnet ihn die Geschichte der österreichischen Militärmusik als den letzten Deutschmeister-Kapellmeister der Monarchie. Den Höhepunkt im erfolgreichen langen Wirken des als Interpret sehr fähigen Mannes bildete die Argentinien-Reise der Kapelle während des Jahres 1910. In diesen Zusammenhängen ergab sich der Ausnahmefall, dass Wacek eine Marschkomposition nicht, wie sonst üblich, einem hohen Offizier, sondern einem Wirtschaftsmagnaten widmete, den "Krupp-Marsch", zum Dank für die Großzügigkeit des Berndorfer Fabriksherrn. Später war Wacek der eigentliche Initiator des bald von Julius Herrmann übernommenen Berufsorchesters der Deutschmeisterkapelle. Der Tod am 17. Dezember 1944 in Wien ersparte dem Achtziger die schwersten Verstörungen der letzten Kriegsmonate.
Von den aus der als musizier- und sangesfroh apostrophierten Steiermark stammenden Musikern, die die Uniform eine k. u. k. Militärkapellmeisters trugen, war zweifellos Eduard Wagens der bekannteste. Am 18. März 1864 geboren, entstammte er einer Grazer Musikerfamilie und erhielt in seiner Vaterstadt auch eine gediegene musikalische Ausbildung. An der Musikschule des Musikvereins für Steiermark war Florian Schantl, ein angesehener, universeller Musiker und besonderer Wegbereiter der steirischen Blasmusik im 19. Jahrhundert, sein Lehrer. Neben Musiktheorie erlernte Wagnes bei Schantl das Spiel auf dem Waldhorn, das er in kürzester Zeit meisterhaft beherrschte. Dreizehnjährig wird Wagnes Mitglied des Kurorchesters in St. Radegund, fünfzehnjährig wirkt er bereits als Hornist am Grazer Stadttheater, von wo ihn kein Geringerer als Gustav Mahler an das kgl. Opernhaus in Budapest verpflichten will. Allein Wagnes zieht es vor, als Solohornist im Orchester des k. u. k. Hofballmusikdirektors Eduard Strauß ausgedehnte Europatourneen zu unternehmen. Einer Berufung in das Orchester der Wiener Hofoper stellt sich die Assentierung zum Militärdienst, den er im steirischen Hausregiment IR 27 ableistet, in den Weg. Vierundzwanzigjährig übernimmt der inzwischen in Graz verehelichte Wagnes die ihm angebotene Kapellmeisterstelle im Grazer uniformierten Bürgerkorps und macht rasch auf seine dirigentischen und kompositorischen Fähigkeiten aufmerksam. Nach fünfjährigem Wirken in Graz vertauscht Wagnes den Federhut der Kapellmeisteruniform des Grazer Bürgerkorps mit dem Bosniaken-Fez, um die Leitung der Regimentsmusik des in Banjaluka neu aufgestellten bh IR 2 zu übernehmen. Noch im selben Jahr, am 28. August 1895, zieht Wagnes jedoch mit seiner Regimentsmusik unter den Klängen seines Marsches "Die Bosniaken kommen" wieder in Graz ein. Zwei Jahrzehnte wirkt nun Wagnes an der Spitze der Bosniaken-Musik in der Grazer Garnison, bis der Erste Weltkrieg das Spiel der Militärkapellen in der Donaumonarchie verstummen läßt. Nach Kriegsende übernimmt Wagnes die Leitung der neuerlich ins Leben gerufenen Grazer Garnisonsmusik im Ersten Bundesheer, um sich 1924 schließlich aus dem aktiven Militärdienst gänzlich zurückzuziehen und sich fortan in seinem Landhaus in Gams ob Frauenthal (heute Bad Gams) ausschließlich der Komposition zu widmen. Am 27. März 1936 schließt Wagnes für immer die Augen. Überlebt haben den Militärkapellmeister Wagnes jedoch seine Militärmärsche, namentlich "Die Bosniaken kommen", der "Flitsch-Marsch" oder "Felsenfest fürs Vaterland".

In die Reihe jener Musiker, deren große Popularität in einer volkstümlichen Nobilitierung ihren Niederschlag fand, gehört auch Joseph Franz Wagner, dem die Geschichtsschreibung der österreichischen Militärmusik den ehrenvollen Beinamen eines "österreichischen Marschkönigs" verlieh. Und dies nicht von ungefähr: Dominiert doch in J. F. Wagners kompositorischem (Euvre-wie bei einem k. u. k. Militärkapellmeister seines Formats nicht anders zu erwarten - der Marsch. Von insgesamt mehr als 400 Kompositionen entfällt etwa die Hälfte auf dieses musikalische Genre. Titel wie "Unter dem Doppeladler" (op. 159), "Schwert Österreichs" (op. 301), "Tiroler Holzhacker Buam" (op. 356), der "47er-Regimentsmarsch" u. a. sind jedem Freund österreichischer Marschmusik geläufig. Sie alle zeichnen sich durch tänzerischen Schwung, melodische Originalität, Eleganz der musikalischen Thematik und durch eine seriöse Akkuratesse der Ausarbeitung aus. Wagners Erfolgsmärsche, in ansehnlichen Auflagenhöhen verbreitet, brachten nicht selten den Verlegern gigantische Gewinne, von denen für den Komponisten jedoch nichts abfiel. J. F. Wagner wurde am 20. März 1856 als Sohn des kunstsinnigen Wiener Arztes Joseph Wagner in Wien-Lerchenfeld geboren. Hier erhielt auch der Knabe, dessen Musikalität und ausgezeichnete Sopranstimme bei zahlreichen kirchenmusikalischen Anlässen aufgefallen war, durch den Regenschori Krumecker den ersten elementaren Musikunterricht. Nach seiner im niederösterreichischen Benediktinerstift Seitenstätten absolvierten Gymnasialzeit erhielt Wagner bei dem nachmaligen Dozenten am k. u. k. Militärinstitut in Kaschau und Lehrer C. M. Ziehrers, Prof. Johann Emerich Hasel, eine profunde musikalische Ausbildung in den Fächern Harmonielehre, Formenlehre, Kontrapunkt und Instrumentation. 1878 wurde der Zweiundzwanzigjährige vom Inhaber des IR 47, Freiherr von Beck, als Regimentskapellmeister nach Trient berufen. In dieser Stellung in Wien, Marburg a. d. Drau und Graz tätig, erlangte Wagner bald als Komponist wie als Kapellmeister große Popularität und Anerkennung seitens der Fachwelt. Die Musikkapelle des IR 47, für die er neben vielen anderen den beliebten "47er-Regimentsmarsch" komponierte, zählte unter seiner Führung zu den "besten der k. u. k. österreichischen Armee" (Damanski). Die Strahlungsund Anziehungskraft der damaligen Reichshaupt- und Residenzstadt Wien sowie der oftmalige Standortwechsel der Regimentsmusik des IR 47 bewogen Wagner allerdings, 1892 zum IR 49 "Freiherr von Hass" nach St. Pölten bei Wien überzuwechseln. Als Nachfolger des bekannten Militärkapellmeisters Ludwig Schlögel wußte Wagner auch in dieser Position an seine früheren Erfolge anzuknüpfen: Wo immer er mit seiner Musikkapelle konzertierte, ob in Krems, in Brünn oder in Wien, überall brachte man ihm und seinen Musikern frenetische Ovationen dar. Wie aber viele seiner Berufskollegen, von Alphons Czibulka bis Franz Lehär, den bunten Rock des Militärkapellmeisters auszogen, um an der Spitze von eigenen Zivilorchestern weiterhin Furore zu machen oder eine private Komponistenkarriere aufzubauen, so quittierte auch Wagner 1899 den Militärdienst. Nach 21jähriger Militärkapellmeistertätigkeit organisierte Wagner um die Jahrhundertwende ein privates Orchester, mit dem er in verschiedenen Wiener Etablissements an die Öffentlichkeit trat. Die hochgespannten Hoffnungen und Erwartungen, die Wagner in dieses neue Betätigungsfeld gesetzt hatte, sollten sich indes nicht mehr erfüllen. Am 5. Juni 1908 starb J. F. Wagner zweiundfünfzigjährig in Wien.

Das Grab von J. F. Wagner befindet sich am Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 35A, Reihe G2,Grab Nr.8. Es wird im neuen Friedhofsführer der Ehrengräber erwähnt.

 

 

(Carl Michael Zierer Denkmal)

Carl Michael Ziehrer, * 2. 5. 1843 Wien, † 14. 11. 1922 , Komponist. 1870-78 Militärkapellmeister; übernahm 1878-85 große Teile der Straußschen Kapelle, die er erst 1903 aufgab, und 1885 die Musikkapelle des Hoch- und Deutschmeister-Regiments, mit der er 1893 bei der Weltausstellung in Chicago große Erfolge feierte. Nach dem endgültigen Übertritt ins Zivil (1893) ging er immer wieder auf Reisen, vor allem durch Deutschland, und konzertierte mit unverändertem Erfolg in der Heimat. Um die Jahrhundertwende leiteten einige seiner Bühnenwerke von der Goldenen zur Silbernen Operetten-Ära über: "Die Landstreicher" (1899), "Der Fremdenführer" (1902), "Der Schätzmeister" (1904) und "Fesche Geister" (1905). Von jenen Zeiten an stand sein Schicksal mit einer merkwürdigen Konsequenz im Zeichen der Ausklänge. Für die Landsleute, die sich voll Stolz die "Neu-Wiener" nannten, verkörperte er, der Zeuge der Makart-Epoche und der Hochblüte der Walzer-Klassik, bereits ein Stück "Alt Wien", und der in diesem Sinn grundkonservative Homo Vindobonensis, der vertraute Gefühlswerte nicht aufgeben will, wandte alle Liebe und Bewunderung, die vordem Johann Strauß, Carl Millöcker und Franz von Suppe gegolten hatten, nun verstärkt dem einen zu, der "noch unter uns weilt". Diese Übertragung der Publikumsgunst und Investitur mit überpersönlichen Traditionen sollte sich später bis zu Robert Stolz fortsetzen. Erste Krankheitssymptome bewogen den Sechziger, sein Pensum etwas einzuschränken, dennoch nahm er 1907 die Berufung zum Leiter des Hofballorchesters an, den offiziellen Titel "k. k. Hofballmusikdirektor" erhielt er erst 1908.Ab ca. 1899 konzentrierte sich Ziehrer auf die Komposition von Operetten, konnte sich jedoch gegen die neue Generation (v. a. F. Lehár) kaum behaupten. Als Tanzmusikkomponist und -kapellmeister war er einer der schärfsten Konkurrenten von J. Strauß Sohn. Nach den Brüdern Johann und Eduard Strauß wurde Ziehrer so zum letzten Träger des roten, silberbestickten Galafracks. Das Finale in dieser Würde war für, ihn eine "Soiree dansante" im Schloß Schönbrunn während des Faschings 1914. Im Ersten Weltkrieg stellte sich der leidende alte Herr in den Dienst der Invalidenfürsorge, war aber auch damit einverstanden, daß seine Popularität für sentimentale Propaganda genutzt wurde. Der Niedergang bis zum Zusammenbruch des Jahres 1918 brachte ihm eine sehr bittere Erkenntnis: Er hatte dank einer dem Ärgsten wiederstehenden Physis seine Zeit längst überlebt. Von Schlaganfällen gezeichnet, vergreist und verarmt, ergriff er im Jänner 1921 noch einmal den Taktstock für einen Tanz der Schatten. Zur Abwendung schlimmster Not war er nun selbst auf Benefizkonzerte jüngerer Kollegen angewiesen. Im Herbst 1922 sollte ein Programm aus Stummfilmszenen, Musiknummern und Diapositiven unter dem Titel "Carl Michael Ziehrer, der letzte Walzerkönig" zumindest einen Abglanz der einstigen Gloriole heraufbeschwören. Der Meister selbst hatte sich dafür filmen lassen. Kurz darauf starb er am 14. November 1922.

In der Praterhauptallee in Wien steht ein Denkmal von Carl Michael Ziehrer in der Nähe des Konstantinhügels, vom akademischen Bildhauer Robert Ullmann, enthüllt am 1. Oktober 1960.


In der großen Schar von Militärkapellmeistern des alten Österreich mit ihrem erheblichen Anteil an Tonkünstlern "aus Böhmens Hain und Flur" vertrat er den Volksstamm der Siebenbürger Sachsen. Er war eine der eigenwilligsten Persönlichkeiten seines Standes. 1833 in Bellesdorf geboren, diente er zunächst im 1. Kürassierregiment. Seine Tätigkeit als Kapellmeister des IR 38 anno 1864 war ein kurzes "Gastspiel" weniger Monate, doch der Auftakt zu einer interessanten Laufbahn. Mit der Banda des Egerländer IR 73 repräsentierte er, wie bereits ausführlicher geschildert, die Donaumonarchie bei der Internationalen Militärmusik-Konkurrenz, die am 21. Juli 1867 in Paris stattfand. Gemeinsam mit den Leitern einer preußischen und einer französischen Kapelle errang er den ex aequo vergebenen 1. Preis. Das ihm zugedachte Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion durfte er nicht annehmen, laut nomineller Begründung, da er keinen Offiziersrang bekleidete. Diese - wohl nicht einzige - Enttäuschung bewog ihn, in die Zivilkarriere überzuwechseln. Er wurde Direktor des Städtischen Musikkonservatoriums Kronstadt im heimatlichen Siebenbürgen. Doch auch das war lediglich eine Zwischenstation. Abermals schloss er einen Militärkapellmeistervertrag ab, und zwar mit dem niederösterreichischen IR 49. Anno 1870 leistete der Ambitionierte einen Beitrag zur Wiener Beethoven-Feier (100. Geburtstag): Im Volksgarten bei der Hofburg führte er mit seinen Militärmusikern die V. Symphonie auf, immerhin ein schwieriges und, wie den Kritiken zu entnehmen ist, geglücktes Vorhaben. Neuerlich wurde seine Biographie sehr wechselvoll. In den folgenden Jahren wirkte Zimmermann zunächst als Marinekapellmeister in Pola, auf diesem sehr begehrten und attraktiven Posten. Er wäre der befähigte Anwärter für die Position des Direktors des geplanten Armeemusikkonservatoriums gewesen. Statt dessen ging er weitere Verpflichtungen beim Heer ein und leitete die Kapellen der IR 40,14 und 17. Im Jahre 1882 schied der Unruhige endgültig aus und verbrachte sein Alter in Teplitz-Schönau, wo er 1907 starb. Fast wie die Verkörperung einer Novellenfigur seiner Epoche hatte er ein von Problematik und Resignation gezeichnetes altösterreichisches Schicksal. Interpret von Rang, blieb er der Mitwelt indes - anders als viele seiner Kameraden - eigene Kompositionen schuldig.


Übernommen von Reinhard Wieser

 

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