Der österreichische Staatsvertrag
Ohne Staatsvertrag kein Nationalfeiertag
Wäre es Ing. Julius Raab, Dr. h.c. Ing. Leopold Figl, Dr. Adolf Schärf, Staatssekretär Dr. Bruno Kreisky und Co. nicht gelungen die Außenminister der vier Allierten Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreich am 15. Mai 1955 zur Unterzeichnung des Staatsvertrages im Marmorsaal des Schlosses Belvedere zusammenzubringen, wäre es wohl niemals zu einem Nationalfeiertag gekommen.
Bevor Außenminister Leopold Figl den jubelnden Wienerinnen und Wiener vom Balkon des Belvederes den unterzeichnenden Staatsvertrag zeigen konnte floss viel Wasser der schönen blauen Donau hinunter.
Gemeinsam zu beratende Entwürfe der vier Alliierten scheiterten seit 1946 meist am sowjetischen Standpunkt zur Frage des „Deutschen Eigentums“ in Österreich.
Zu dieser Hürde kam noch, dass mit zunehmender Verschärfung des „Kalten Krieges“ zwischen Ost und West die Verhandlungen jahrelang ins Stocken gerieten.
Erst im April 1955 zeichnete sich eine außenpolitische Wende ab. Eine österreichische Delegation unter Bundeskanzler Julius Raab kam in Moskau mit ihrer Neutralitätserklärung zu verbindlichen Ergebnissen, die auch die Westalliierten anerkannten.
In seinen wichtigsten Bestimmungen legte der Staatsvertrag fest, dass Österreich als souveräner unabhängiger, demokratischer Staat in den Grenzen vom 1. Jänner 1938 wiederhergestellt wird.
Österreich verpflichtete sich, die militärische, politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren.
Am 15. Mai 1955 versammelten sich Tausende vor dem Belvedere und brachen in Jubel aus, als die Außenminister John Foster Dulles (USA), Wjatscheslaw Michailowitsch Skrjabin, genannt „Molotow“ (Sowjetunion), Harold Macmillan (Großbritannien) und Antoine Pinet (Frankreich) auf den Balkon traten und Leopold Figl das unterzeichnete Dokument hochhielt, damit es alle sehen konnten.
Fast jedes Land auf der Welt hat seinen Nationalfeiertag, bei dem die Verbundenheit zu seinem Staat besonders gezeigt wird.
Jeder Franzose wird sofort das Datum und den Grund für seinen Feiertag, den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, nennen.
Auch der US Amerikaner nennt den 4. Juli 1776 als Nationalfeiertag, es ist der Unabhängigkeitstag der Vereinigten Staaten von Amerika.
Herr und Frau Österreicher nennen mit ziemlicher Sicherheit den 26. Oktober, doch die Erklärung dafür wird manchen ins Grübeln bringen.
Der Grund, der Nationalfeiertag ist noch nicht so alt, er wechselte häufiger den Grund und das Datum.
Der 18. August, der Geburtstag Kaiser Franz Josefs fiel mit Ende der Monarchie.
Bis zur endgültigen Entscheidung für einen neuen, gab es in der 2. Republik einfachheitshalber einen „Tag der Fahne“.
Erst 1965 wurde durch den Ministerrat der 26. Oktober 1955 zum Nationalfeiertag bestimmt, da am Vortag der letzte alliierte Soldat, ein britischer Offizier, Österreich verlassen hatte, die letzten sowjetischen Soldaten verließen bereits am 19. September das Land, und am nächsten Tag vom Nationalrat die Neutralität zu einem Bundesverfassungsgesetz erklärt worden war.
Damit wurde der Grundstein zu einem neuen österreichischen Lebensgefühl gelegt, das die schrecklichen Brüche der Vergangenheit kleiner erscheinen ließ.
Bundesgesetz über den Nationalfeiertag
Eingedenk der Tatsache, dass Österreich am 26. Oktober 1955 mit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 211/1955 über die Neutralität Österreichs seinen Willen erklärt hat, für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu wahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen, und in eben demselben Bundesverfassungsgesetz seine immerwährende Neutralität festgelegt hat, und in der Einsicht des damit bekundeten Willens, als dauernd neutraler Staat einen wertvollen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten zu können, hat der Nationalrat beschlossen.
Der 26. Oktober ist der österreichische Nationalfeiertag.
Übernommen von Reinhard Wieser